Stanislaw Lem sollte man gelesen haben, wenn in die Zukunft gerichtete utopische oder auch dystopische Kurzgeschichten oder Romane beim Leser ankommen.
In seinem Werk „Der futurologische Kongress“ aus dem Jahre 1971 nimmt Lem’s (Standard-) Protagonist Ijon Tichy an einem Kongress in der fiktiven Stadt Nounas im Land Costricana teil, der in einem Hotel des Hilton-Konzerns tagt. Thema des Kongresses und auch ein Strang des roten Fadens durch das Buch ist die Überbevölkerung. Eine Revolution bricht aus und sogleich auch das Chaos rund um Tichy. Durch die verwendeten chemischen Kampfstoffe wandelt der Protagonist von einer Traumwelt zur nächsten. Nur aufmerksam kann der Leser den Illusionen folgen, die Ijon erlebt. Zur Halbzeit erwacht er in einer zukünftigen Welt im Jahre 2039. Zunächst angetan von der friedvollen Gesellschaft mit einer genannten Bevölkerungszahl von über 20 Milliarden Einwohner erkundet Tichy sein neues Dasein. Nach einiger Zeit – er führt ein Tagebuch – sieht er Gründe für das Zusammenleben der Menschen. Sein Romanbegleiter Professor Trottelreiner, der es ebenfalls in diese Welt geschafft hat, tritt wieder auf und öffnet ihm bei mehreren Zusammentreffen – meist beim Abendessen – die Augen. Am Ende entscheidet sich Ijon, nicht zurechtkommend mit seinem gegenwärtigen Schicksal, aus Verzweiflung zu einem Sprung aus dem Fenster und erlebt wiederum Überraschendes.
Mich erinnert die Geschichte an Robert Nozicks Gedankenexperiment mit einer Glücksmaschine. Es geht um die Frage, wann wir nicht mehr wir selbst sind und augmentiert – in Lem’s Fall mit Psychopharmaka – zu Nozicks scheinglücklichen Zombies mutieren und losgelöst von uns selbst durch die (Schein-) Welt wandeln.
Eine andere Parallele erkennt man zu Orwells 1984. Der Protagonist Winston Smith erlebt eine ihm ebenso fremde Welt, in der Wörter konkateniert bis zur relativen Unsinnigkeit das sogenannte Neusprech ergeben.
Lem wäre am 21.September 2021 100 Jahre alt geworden. Passend bzw. geplant veröffentlichte Suhrkamp im Jahre 2021 seine Werke neu. Wer Ausgaben von Autoren wie George Orwell, Douglas Adams, William Gibson oder Aldous Huxley verträgt, ist sicher auch mit Lem’s „Der futurologische Kongress“ gut bedient.